Fachexkursionen
Bestandsaufnahme der Fachexkursionen zum Mostbirnenanbau
Ein Erfahrungsaustausch mit anderen Erzeugern, die Spezialitäten aus alten Mostbirnen in Europa herstellen, der Blick über den Tellerrand hinaus und somit eine Reflexion der eigenen Entwicklung in unserer Tradition.
Über mehrere hundert Jahre gab es nur wenig fachlichen AUSTAUSCH zwischen dem deutschsprachigen Raum, Frankreich und England.
England
Die Marktstellung von Cider und Perry ist im
Vereinigten Königreich am ausgeprägtesten
im weltweiten Vergleich. Mit einem Anteil
von über 10% am alkoholischen Markt
befinden wir uns hier in völlig anderen
Dimensionen.
In England ist längst nicht mehr die Vermarktung, sondern die Produktion des Rohstoffes „alte Mostbirnen“ problematisch. Cider und Perry sind Produkte, die in einem weiten Preisbereich von 1,– bis 10,– E/Fl. in verschiedensten Gebinden und in allen Vermarktungsschienen angeboten werden. Unser Besuch führte uns zum Perry Slow Food Presidio in Gloucester und Hereford.
Im Bereich der Baumformen haben sich seit den 50er Jahren bedingt durch einen hohen Grad der Mechanisierung (Maschinenlese seit 1930) in Westengland im Bereich Apfel vorwiegend mittelstark wachsende Unterlagen durchgesetzt. Anpflanzungen von mehreren hundert Hektar sind im Westen von England keine Seltenheit, sehr oft wurde statt Tafelobst in der Folge umgestellt auf Intensivmostobst.
Ebenso ist von wesentlichen Vermarktern (Bullmers) ein Züchtungs- und Beratungsprogramm für die grüne Produktion stark lanciert worden, um den Anteil von Importware nicht noch weiter ansteigen zu lassen.
Im Bereich der Produktion von Mostbirnen sind bis zum Jahr 2012 nur zaghafte Nachpflanzungen vorgenommen worden, die allerdings der Entwicklung der stark zunehmenden Nachfrage im Bereich Perry überhaupt nicht standhalten kann.
Einige wenige Nachpflanzungen wurden auf Quitte C und Pyrodwarf vorgenommen, die meisten auf der starkwachsenden Unterlage Old Home. Die Stammhöhen orientieren sich an der Unternutzung, Mulchregime (Stammhöhe unter 1 m), Schafbeweidung (Stammhöhe 1,60 m) bis zur Beweidung mit Pferden und Stammhöhen von über 2,80 m und folgen keinem Paradigma.
„Perry pears should not be pruned“ – „Mostbirnen sollen nicht geschnitten werden“ – dies hingegen ist eine feste Überzeugung bei den Anbauern. Diese für unsere Prägung eher ungewohnte Herangehensweise konnte aber durchaus auch als zielführend begriffen werden – allerdings ohne erkennbare Mitte, mit insgesamt Bäumen, die früher von der Wachstums- in die Ertragsphase überwechseln mit einer geringeren Anfälligkeit für Feuerbrand. Insgesamt konnten sich die Teilnehmer der Reise von einem vitalen Baumbestand bei den jungen Bäumen überzeugen. Einige der robusten Sorten wurden zur versuchsweisen Anpflanzung auch bei uns mit übernommen.
Frankreich
Cidre verbinden wir mit Frankreich wie Crepes,
Camembert, Cognac und Champagner.
Rund 8000 ha Intensivmostobst sind aktuell
in Produktion und lösen langsam die traditionellen
Anbauformen des hochstämmigen
Anbaus mit klassischer Weidenutzung durch
Rinder ab. In einem klimatisch milderen
Bereich der Normandie, rund 50 km um
Domfront, ist allerdings die Mostbirne ebenso
im traditionellen Anbau zu finden und wird
im Bereich des AOC in erster Linie zu Poirée
– einem Birnenschaumwein – verarbeitet.
Mit dem Institut Cidricole in Sees wird die
Arbeit auf wissenschaftlichem Niveau sowohl
vom Anbau als auch von der Kellerwirtschaft
in verschiedensten Fragestellungen begleitet.
Die Praxisberatung wird durch eine Vielzahl
von spezialisierten Beratern der Landwirtschaftskammern
sichergestellt. Des weiteren
ist der Großteil der grünen Produktion
genossenschaftlich erfasst und wird auch
hierüber nochmals mit beraten und gelenkt.
Es sind ausgefeilte Programme zur Erzeugung
von Intensivmostobst Apfel in allen Bereichen
vorhanden. Auch in Frankreich hat die Birne
lange Zeit ein Schattendasein geführt. Erst in
den letzten 15 Jahren haben sich einige Hersteller
mit herausragenden Qualitäten einen
Namen gemacht, was letztendlich auch zu
ersten Wiederanpflanzungen geführt hat.
Besondere Beachtung hat hier die Erziehung der Hochstämme gefunden. Es werden Stammhöhen von über 2,20 m erzogen in die dann mittels Spaltpfropfung eine Kopfveredlung durchgeführt wird. Aus dem Reis mit drei Augen wachsen in der Folge drei Leitäste, die sich somit gegenseitig in die Höhe treiben. Auf die Erziehung einer Mittelachse mit drei bis vier Leitästen (wie bei uns in Baden- Württemberg üblich) wird nach französischem System damit verzichtet. Schäden durch die Rinder werden vermieden, da das Blattwerk in nicht erreichbarer Höhe hängt und jeder Baum einen massiven geschweißten Metallkorb als Baumschutz erhält. Bei längeren Nässeperioden und im Herbst verbleiben die Rinder im Stall.
Ein weiterer Grund für die geringe Baumpflege ist das hohe Lohnniveau, welches in Frankreich durch einen gesetzlichen Mindeststundenlohn herrscht. Somit können es sich die Obstbauern immer weniger leisten, Fremdarbeitskräfte für den Obstbaumschnitt zu bezahlen, und somit wird dieser eben extensiver durchgeführt bzw. gar nicht gemacht.
Viele der älteren Hochstammbäume erschienen uns relativ ungepflegt, d.h. ein Auslichtungsschnitt der Bäume wurde schon lange nicht mehr durchgeführt.
Für eine extensive Anbauform mit Wiesenunternutzung ist diese „Erziehungsform“ durchaus geeignet. Dass es im Nachbarland nicht an Sachverstand in Bezug auf Obstbaumschnitt mangelt, sondern eben nur eine sehr differenzierte Betrachtung stattfindet, konnten die Teilnehmer bei einem Besuch des Vergers du Roi am Schloss von Versailles wahrnehmen. Von der hohen Kunst des Formobstbaus blieb für alle ein bleibender Eindruck zurück. Keine Baumform die hier nicht zu finden ist und Ausdruck von höchstem Wissen über die Jahrhunderte.
In neuen Anbauversuchen mit Birnen wurde insbesondere die Sorte Plant de Blanc als wichtigste Sorte für den Poireedomfrontais angepflanzt. Beste Ergebnisse konnten hier auch mit der bei uns verwendeten Unterlage OHF 87 nachgewiesen werden. Im Anbauversuch wurde allerdings auf Schnittmaßnahmen in den ersten fünf Standjahren verzichtet. Langtriebe wurden nur nach unten auf den hohen Drahtrahmen gebunden, um so die Blütenbildung zu stärken und das Wachstum zu regulieren. Die Idee des hohen Drahtrahmens haben wir auf unsere Pflanzung im Gewann „Haldenberg“ im Jahr 2013 übertragen. Die französischen Sorten Plant de blanc, Domfront, und poire de cloche haben wir bei uns zur Beobachtung mit aufgepflanzt. Das ausgeglichene Klima durch die Nähe zum Ärmelkanal (nicht zu heiße Sommer) lässt auch das Problem Feuerbrand bei Birnen eher gering erscheinen, was zu einem sehr vitalen Gesamtbaumbestand führt.